Standortsicherheit bei zunehmender Flächenkonkurrenz - Eine Handlungsempfehlung

Bauleitplanung im Interesse der Unternehmen 

Die Standortsicherheit ist für jedes Unternehmen von existenzieller Bedeutung. Wie viel die Standortsicherheit mit der Bauleitplanung zu tun hat, ist vielen Unternehmen häufig nicht bewusst. Dabei kann jedes Unternehmen früher oder später einmal von ihr betroffen sein – auch Sie!
  • Sie möchten zum Beispiel Ihren Betriebssitz erweitern oder einen neuen Standort errichten? Dafür ist ggf. die Aufstellung eines Bebauungsplans nötig.
  • Im schlimmsten Fall sind Sie aber negativ von einem Bauleitplanverfahren betroffen.
Beispiele: Eine heranrückende Wohnbebauung an Ihr Betriebsgrundstück oder die Überplanung Ihres Betriebsgrundstücks können für Sie nachträgliche Anpassungen auf betrieblicher Seite mit sich führen. In diesem Fall sollten Sie reagieren!

Mit dieser Handreichung möchte der Hessische Industrie- und Handelskammertag (HIHK) Sie als Unternehmer/in auf die Zusammenhänge zwischen Standortsicherheit und Bauleitplanung aufmerksam machen und Ihnen nahelegen, immer einen Blick auf die bauleitplanerischen (Planvorhaben) und baurechtlichen (Bautätigkeiten) Entwicklungen in der Nähe Ihres Betriebsstandortes zu haben.

Der Zweck der Bauleitplanung


Die Bauleitplanung regelt die Nutzung aller privaten und öffentlichen Grundstücke einer Kommune. Der Regelungsinhalt ist im Baugesetzbuch (BauGB) definiert. Dabei gliedert sich die Bauleitplanung in eine »vorbereitende Bauleitplanung«, den sogenannten Flächennutzungsplan (FNP) für die Gesamtstadt und eine »verbindliche Bauleitplanung«, den sogenannten Bebauungsplan (B-Plan) für einzelne Teilbereiche. Die Kommunen haben bei der Bauleitplanung eine Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse zu berücksichtigen, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Dazu gehören unter anderem: Wohnen, Arbeiten und Wirtschaft sowie Umwelt- und Denkmalschutz. Das Ergebnis des Abwägungsprozesses zeigt sich in den Bauleitplänen.

Die Bauleitpläne im Überblick

Bauleitpläne ist der übergeordnete Begriff für Flächennutzungs- und Bebauungspläne. Diese bestehen aus einer Plangraphik, einer Legende - bei Bebauungsplänen mit einem Textteil - und einer Begründung. Ein Betriebsstandort gilt als „überplant“, wenn ein rechtskräftiger Bebauungsplan für das Grundstück existiert.
 

Der Flächennutzungsplan (FNP)


Im Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) ist für das gesamte Gemeindegebiet die Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde darzustellen. Der Flächennutzungsplan gibt somit die beabsichtigte städtebauliche Entwicklung wieder. Die Darstellungen des Flächennutzungsplans sind in der Regel nur behördenverbindlich. Die planerische Entwicklungsabsicht kann aber dennoch aktuelle Auswirkungen auf Ihren Betriebsstandort haben.

Beispiel für Darstellungen im FNP


Statt „gewerblicher Baufläche, bestand (grau mit Schraffur)“ wird nach einer Änderung des FNPs zukünftig „Wohnbaufläche, geplant (orange ohne Schraffur)“, wie bereits westlich vorhanden, festgesetzt. Hier am Beispiel Frankfurt südlich der Rödelheimer Landstraße, wo eine solche Änderung erfolgt, um eine Wohnnutzung zu ermöglichen. Dies kann Einfluss auf Ihre betrieblichen Entwicklungsmöglichkeiten und Standortsicherheit haben.
 
Besonderheit RegFNP: Im Gebiet des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain (siehe auch www.region-frankfurt.de) gibt es eine Besonderheit - den Regionalen Flächennutzungsplan (RegFNP). Dieser ist der gemeinsame vorbereitende Bauleitplan von über 70 Gemeinden, der die Funktionen des übergeordneten Regionalplans (eine Planungsebene über dem Flächennutzungsplan) und eines gemeinsamen
Flächennutzungsplans in einem Planwerk vereinigt.

Der Bebauungsplan (B-Plan)

Der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan) enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für den Eigentümer. Der Bebauungsplan setzt fest, welche Art von Gebäuden und in welchem Maß gebaut werden darf und welche Nutzungen zulässig sind – also wie und
was gebaut werden darf. Bebauungspläne sind grundsätzlich aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln und können unter anderem festsetzen:
  • Art und Maß der baulichen Nutzung
  • Bauweise, (nicht) überbaubare Grundstücksflächen, Stellung der baulichen Anlagen
  • Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind und ihre Nutzung
  • Verkehrsflächen (gegebenenfalls mit besonderer Zweckbestimmung wie Fußgängerbereiche oder Stellplätze für Fahrzeuge)

Beispiel für Darstellungen im B-Plan
 

Die Aufgabe der IHK als TÖB


Bei der Aufstellung von Bauleitplänen muss die Kommune die sogenannten Träger öffentlicher Belange (TÖB) über die beabsichtigten Planungen informieren und anhören. Für die Wirtschaft ist die IHK in dieses Anhörungsverfahren eingeschaltet und kann Anregungen und Hinweise (schriftliche Stellungnahme) innerhalb einer vorgegebenen Frist von regelmäßig vier Wochen vortragen – sie ist also das Sprachrohr ihrer Mitgliedsunternehmen. Die Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen kann für Gewerbetreibende zu Veränderungen von Bau- und Nutzungsrechten an einem Betriebsstandort führen, im positiven wie auch im negativen Sinn.

Das Planungsrecht

Wissen Sie, welches Planungsrecht für Ihren Standort und die Nachbarschaft in der Umgebung gilt?

Wenn Sie nicht wissen, wie Ihr Betriebsgrundstück und die Grundstücke in Ihrer Nachbarschaft planungsrechtlich eingeordnet sind, sollten Sie dies umgehend ermitteln. Die planungsrechtliche Einordnung eines Grundstückes sagt Ihnen, in welcher Art und Weise das Grundstück nutzbar ist. Viele Gemeinden stellen ihre B-Pläne, und somit die Information zum Planungsrecht, online zur Verfügung, z.B. für Frankfurt am Main mit dem PlanAS (planas.frankfurt.de). Das Bau- und Planungsamt Ihrer Gemeinde und ihre Industrie- und Handelskammer www.ihk.de/#ihk-finder können Sie dabei unterstützen.
Die Grundstücke in einer Kommune sind bauplanungsrechtlich in drei Kategorien eingeteilt: den beplanten Innenbereich (Bebauungsplan, § 30 BauGB), den unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) und den Außenbereich (§35 BauGB).
Die Nutzungsmöglichkeiten auf Ihrem Betriebsgrundstück hängen maßgeblich davon ab, ob der Standort nach Planungsrecht für Ihr Unternehmen „passend“ ist und ob die Umgebung Ihres Betriebsgeländes so beschaffen ist, dass Sie die aus der Nachbarschaft kommenden Anforderungen des Immissionsschutzrechtes – z.B. Lärm- oder Geruchsbelästigungen - einhalten können.
Einfach erklärt: Nicht jeder Betrieb passt in jedes Gebiet. Um es ganz deutlich zu machen – ein Asphaltmischwerk passt nicht in oder direkt neben ein Wohngebiet.

Entspricht die planungsrechtliche Einordnung Ihres Betriebsgrundstücks den Anforderungen Ihres Gewerbebetriebs?

Der beplante Innenbereich

Für den „beplanten“ Innenbereich liegt ein rechtskräftiger Bebauungsplan vor. Das Gebiet ist also „überplant“ – z.B. mit der Gebietskategorie „Mischgebiet“. Hier hilft zunächst der Blick in die Baunutzungsverordnung (BauNVO), um zu klären, welche Nutzungen in dieser Gebietskategorie zulässig sind. Gemäß BauNVO gibt es elf Gebietskategorien, deren Bauflächen dem Wohnen dienen, gemischt genutzt werden, einer gewerblichen Nutzung vorbehalten sind oder einer Sondernutzung dienen. Die Zulässigkeit von Gewerbebetrieben in den einzelnen Gebietstypen ist abhängig vom jeweiligen Grad der „Störung“, die von einem Gewerbebetrieb etwa hinsichtlich Lärm- oder auch Geruchsbelästigungen ausgehen kann. Die von der BauNVO für einen bestimmten Gebietstyp vorgesehene Zulässigkeit bestimmter Gewerbebetriebe kann jedoch von der planenden Kommune im konkreten Fall auch eingeschränkt werden (§ 1 Abs. 3 – 10 BauNVO). Das ist beispielsweise aus Gründen des Umweltschutzes oder zur Erhaltung und Förderung einer gewünschten Nutzungsmischung möglich. Viele Kommunen sind in den vergangenen Jahren dazu übergegangen, Gewerbeflächen zu gliedern und bestimmte Teilgebiete mit Nutzungseinschränkungen zu belegen. Wollen Sie unliebsame Überraschungen vermeiden, ist es ratsam den Textteil des Bebauungsplanes, die sogenannten schriftlichen Festsetzungen, aufmerksam zu lesen.
Ein Überblick über die Gebietskategorien für Gewerbebetriebe:
Industriegebiete (GI) § 9 BauNVO: Industriegebiete dienen gemäß § 9 BauNVO ausschließlich der Unterbringung von Gewerbebetrieben, und zwar vorwiegend solcher Betriebe, die in anderen Baugebieten unzulässig sind.
Gewerbegebiete (GE) § 8 BauNVO: Gewerbegebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Betrieben. Zulässig sind gemäß BauNVO grundsätzlich Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser und Lagerplätze, öffentliche Betriebe sowie Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude oder Tankstellen.
Gewerbebetriebe in anderen Baugebieten §§ 2 bis 7, sowie § 10 und § 11 BauNVO: In den anderen Baugebieten der BauNVO müssen sich gewerbliche Nutzungen innerhalb eines Plangebietes gegenüber anderen Nutzungen in oft enger Nachbarschaft behaupten. Dabei haben die verschiedenen Gebietstypen durchaus unterschiedliche, vom jeweiligen Störgrad abhängige Zulässigkeitsmerkmale für gewerbliche Nutzungen. So sind etwa zulässig in
  • Mischgebieten (MI) und Urbanen Gebieten (MU): Gewerbebetriebe, die das Wohnen nicht wesentlich stören,
  • in Allgemeinen Wohngebieten (WA): Betriebe, die der Versorgung des Gebietes dienen, wie Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe.
Darüber hinaus gibt es auch noch: Kleinsiedlungsgebiete, Reine Wohngebiete, Besondere Wohngebiete, Dorfgebiete, Kerngebiete und Sondergebiete.
Diese Unterschiede sind wichtig, weil das Wohnen nicht in jedem Gebietstyp vor Immissionen gleichermaßen geschützt ist.
Auf die Frage, ob Ihr eigener Standort durch den Bebauungsplan ausreichend gesichert ist und welche Entwicklungsmöglichkeiten er hat, geben die sehr allgemein formulierten Zulässigkeitsbeschreibungen der BauNVO aber kaum hinreichend Auskunft. In jedem Fall sollten Sie auf die besonderen Festsetzungen des Bebauungsplanes im Textteil der Planunterlagen achten (etwa Einschränkungen bestimmter Gewerbebetriebe, räumliche Gliederung, Bestimmungen über den Anteil der Wohnfläche an der Geschossfläche). Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Ihr Betrieb immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen hat oder in Zukunft benötigt.


Der unbeplante Innenbereich

Die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, für die kein B-Plan vorliegt, regelt § 34 BauGB. Nach Absatz 1 ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenheit der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden. § 34 Abs. 4 BauGB eröffnet der Kommune die Möglichkeit, einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einzubeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Beispiel Frankfurter Osthafen: Der Osthafen Frankfurt ist beispielsweise ein unbeplanter Innenbereich, dessen planungsrechtliche Beurteilung nach § 34 BauGB erfolgt. Aufgrund der vorhandenen Nutzungen liegt eine Prägung als Industriegebiet (GI) vor.


Der Außenbereich


Das Bauen im Außenbereich regelt § 35 BauGB. Im Außenbereich sind grundsätzlich nur sogenannte privilegierte Vorhaben zulässig. Dabei handelt es sich beispielsweise um Vorhaben, 
  • die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen, 
  • die dem Fernmeldewesen, der öffentlichen Versorgung (Strom, Gas, Wasser, Wärme) oder einem ortsgebunden gewerblichen Betrieb dienen, 
  • wenn sie aufgrund besonderer Anforderungen an die Umgebung wegen ihrer nachteiligen Wirkung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen,
  • die der Erforschung und Nutzung der Kern-, Wind- oder Wasserenergie dienen. 
Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

Zusammenwirken von Planung und Immissionsschutz

Bei Anlagen, für deren Errichtung, Betrieb oder wesentliche Änderungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) ein Genehmigungsverfahren erforderlich ist, genügt es nicht, dass eine baurechtliche Genehmigung vorliegt. Hier muss auch aus immissionsschutzrechtlicher Sicht sichergestellt werden, dass das Vorhaben für ein Gebiet unbedenklich ist. „Anlagen“ können Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen sein. Aber auch Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge und sogar Grundstücke, auf denen Stoffe gelagert bzw. abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Emissionen verursachen können. Welche Anlagen genehmigungsbedürftig und welche nicht genehmigungsbedürft sind, wird im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) festgelegt.
Emission – Immission: Emission bewirkt Immission -> Gewerbebetriebe stoßen Emissionen (z.B. Gewerbelärm) aus und Immissionen (z.B. Gewerbelärm) wirken auf die Nachbarschaft ein


Wie sieht die Umgebung Ihres Betriebsstandortes immissionsschutzrechtlich aus?


Die häufigsten durch Gewerbe verursachten Immissionen sind Geräusche. Darüber hinaus gibt es Luftverunreinigungen, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeiführen können.


Das Beispiel Lärmbelästigung 


Welche Lautstärke zumutbar ist, definiert die Vorschrift „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm“ (TA Lärm). In ihr werden Immissionsrichtwerte und die Art, wie diese gemessen werden, festgelegt, wobei die TA Lärm die einzelnen Baugebietstypen unterschiedlich schützt - Industriegebiete wenig, Wohngebiete stark. Die festgelegten Immissionsrichtwerte sind „akzeptorbezogen“, d. h. alle Immissionen, die beim Empfänger = Akzeptor (z. B. Wohnbebauung) ankommen, müssen gemeinsam den vorgegebenen Richtwert einhalten. Die TA Lärm berücksichtigt daher die eventuell von anderen Anlagen ausgehende Vorbelastung auch betriebsübergreifend und vergleicht dann die in der betroffenen Nachbarschaft entstehende Gesamtbelastung mit den Immissionsrichtwerten. Wird in der Nähe des Betriebsstandortes eine Wohnbebauung geplant, entstehen damit ein neuer Immissionsort und häufig auch immissionsschutzrechtliche Konflikte zwischen den unterschiedlichen Nutzungen. In diesen Fällen kann die zuständige Genehmigungs- und Überwachungsbehörde (die Regierungspräsidien) den emittierenden Betrieb durch eine nachträgliche Anordnung gemäß § 17 BImSchG zur Reduzierung seiner Schallemissionen verpflichten, z. B. indem er seine Betriebsabläufe ändert oder Ertüchtigungen an den emittierenden Anlagen vornimmt (Einhausung von Maschinen u. ä.). Hieraus können erhebliche wirtschaftliche Nachteile für den Betrieb entstehen.

Potentielle Konfliktlösungen nach TA Lärm


Ein Bebauungsplan kann u. a. folgende Festsetzungen festlegen, um Lärmkonflikte zu
verhindern: 

Schallschutzmaßnahmen

  • Zweifelsfrei TA-Lärm-konform sind nur feststehende, nicht zu öffnende Fenster (Lichtöffnungen) sowie Doppelfassaden oder Fenster mit vormontierten, feststehenden Prallscheiben. Allerdings ist die Verwendung nicht zu öffnender Fenster im Wohnungsbau stark eingeschränkt. Sie sind nur dann akzeptabel, wenn der zu schützende Aufenthaltsraum zusätzlich über eine „leise“ Außenfassade verfügt, an der ein konventionelles Fenster verbaut werden kann. 
  • Neue TA-Lärm-konforme Schutzfenster
  • Der mittlerweile bekannteste Fenstertyp ist das sogenannte Hamburg Hafencity-Fenster. Derartige Fenster werden auch vom Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) nach derzeitigem Diskussionsstand als TA-Lärm-konform eingestuft.
  • Alternativ kann der Gewerbelärm auch mit Lärmschutzwänden reduziert werden. In der Regel sind solche Schutzmaßnahmen aber sehr aufwändig und, wenn überhaupt, nur im Rahmen städtebaulicher Planungen realisierbar.
Städtebauliche und architektonische Schutzkonzepte
  • Eine Blockrandbebauung mit einem Gebäuderiegel als Schallschutz zum Gewerbebetrieb bzw. zur Lärmquelle oder Wohnungsgrundrisse bei denen die zu schützenden Aufenthaltsräume (z.B. Schlafzimmer) zur lärmabgewandten Seite geplant sind.
Gut zu wissen: Die Wohnnutzung ist eine schutzwürdige Nutzung. Daraus können sich für emittierende Unternehmen erhöhte Anforderungen an Schutzmaßnahmen ergeben (z.B. Lärmschutz).
Zwischenwert in Gemengelage
  • Wenn gewerblich genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinandergrenzen, ist das eine Gemengelage. In einer solchen Lage können die Immissionsrichtwerte für Wohnen auf einen geeigneten Zwischenwert in Rücksicht auf die gewerbliche Nutzung erhöht werden.

Plötzliche neue Nachbarschaft oder neues Planungsrecht

Plötzlich steht ein Wohnhaus neben dem Betriebsstandort


Bauland wird vielerorts knapp und das bedeutet, dass die Konkurrenz um freie Flächen groß ist. Eine Konsequenz daraus ist, dass beispielsweise Wohnnutzungen immer näher an bestehende Gewerbegebiete heranrücken. Daraus können Konflikte entstehen und oft hat der „störende“ Gewerbebetrieb das Nachsehen. Plötzlich ist sie da – die Wohnbebauung. Direkt neben dem eigenen Betriebsstandort. Die Wohnbebauung rückt entweder heran durch:
  • eine Baugenehmigung (Beispiel: Neubau eines Wohngebäudes in der Nachbarschaft.)
  • oder einen neuen Bebauungsplan (Beispiel: Das Nachbargrundstück wird als Mischgebiet (Wohnen und Gewerbe erlaubt) ausgewiesen.)

Plötzlich ist der Betriebsstandort überplant


Das knapp werdende Bauland verleitet einige Gemeinden auch dazu, bestehende Gebiete neu zu überplanen. Das heißt, die Kommune kann:
  • einen neuen B-Plan aufstellen
  • oder einen alten B-Plan abändern.
Liegt das Betriebsgrundstück im Geltungsbereich des B-Plans, wird es somit „überplant“. Beispielsweise wird die bisherige Gebietskategorie Gewerbegebiet geändert in die Gebietskategorie Allgemeines Wohngebiet. Insbesondere für Mieter oder Pächter ist diese Situation gefährlich. Wenn der Grundstückseigentümer an der neuen Planung interessiert ist und diese unterstützt, kann dies zur Kündigung oder dem Auslaufen von Miet- oder Pachtverträgen mit ansässigen Gewerbetreibenden führen.
Setzen Sie sich in dieser Situation direkt mit Ihrem Vermieter/Pächter in Verbindung, und versuchen Sie, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Das Recht des „Zuerst-Dagewesenen“ gilt nicht immer


Der Bestandsschutz besagt, dass eine bauliche Anlage, die in baurechtlich genehmigter Form errichtet wurde, trotz einer Änderung der Rechtslage nicht beseitigt oder abgeändert werden muss. Darin eingeschlossen sind Maßnahmen, um den baulichen Bestand
funktionsgerecht nutzbar zu erhalten.
Anders als bei Genehmigungen nach dem Baurecht, muss der Betreiber einer genehmigungsbedürftigen wie auch einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage nach dem BImSchG mit neuen Anforderungen, den Immissionsschutz betreffend, rechnen. Es handelt sich insofern um dynamische Betreiberpflichten, d.h. Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert oder auf ein Mindestmaß beschränkt werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Emittierende Betriebe können daher nachträglich durch Auflagen und Einschränkungen beeinträchtigt werden, sofern die Anlagen nicht dem Stand der Technik entsprechen oder neue Immissionsorte (z. B. Wohngebiet) entstehen.
Bestandsschutz: Die bisherige Funktion, Nutzung und bauliche Beschaffenheit eines Gebäudes ist baurechtlich geschützt. Probleme können sich ergeben, wenn der bestehende Betrieb erweitert oder etwa nach einem Brandschaden wieder aufgebaut werden soll. Anders sieht es bei den Betreiberpflichten nach dem Immissionsschutzrecht aus. Diese können bei Veränderungen in der Umgebung der Anpassung bedürfen. Kommt ein Wohngebiet hinzu, haben die Bewohner ggf. Anspruch auf lärmverringernde Maßnahmen, weil sie sich vom Gewerbebetrieb gestört fühlen könnten.

Rechtsschutz


Gegen Bebauungspläne:
Innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung des Bebauungsplanes kann ein sogenannter Normenkontrollantrag gestellt werden. Dabei wird die Einhaltung formeller und materieller Planungsvorgaben des Bebauungsplans geprüft und entschieden, ob der Bebauungsplan wirksam ist. Antragsbefugt sind alle natürlichen oder juristischen Personen, die geltend machen, durch die Rechtsvorschrift oder ihre Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden.

Um einen Anspruch auf die Einreichung eines Normenkontrollantrags zu behalten, sollten Sie sich im Rahmen der Beteiligungsphase zum B-Plan gegenüber der Stadt- oder Gemeindeverwaltung äußern und eine Stellungnahme abgeben. Hierbei müssen Sie auf die von der Verwaltung vorgegebene Frist (in der Regel 30 Tage) achten, denn nicht fristgerecht eingegangene Stellungnahmen können unberücksichtigt bleiben.

Gegen eine Baugenehmigung:
Wurde eine Baugenehmigung erteilt, von der der Unternehmer in Kenntnis gesetzt wurde, kann er als Nachbar in der Regel innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Wurde der Unternehmer nicht über die Baugenehmigung informiert, so bleibt die Baugenehmigung ein Jahr anfechtbar. Hat der Widerspruch keinen Erfolg, so kann der Nachbar anschließend vor dem Verwaltungsgericht Anfechtungsklage
gegen die erteilte Baugenehmigung erheben.

Info zum Baustopp: Trotz Widerspruch oder Klage wird das Bauvorhaben nicht direkt „gestoppt“. Möchten Sie, dass das Bauvorhaben unterbunden wird, müssen Sie einen Antrag auf Eilrechtsschutz beim Verwaltungsgericht stellen.

Gegen den (Regionalen) Flächennutzungsplan:
Nach allgemeiner Auffassung können Flächennutzungspläne grundsätzlich nicht angegriffen werden, da der Flächennutzungsplan nur eine behördeninterne Verbindlichkeit hat.

In jedem Fall empfehlen wir die Kontaktaufnahme zu einem Rechtsbeistand.

Was Sie tun sollten, um unliebsamen Überraschungen aus dem Weg zu gehen!


Sie müssen davon ausgehen, dass Planungen und Genehmigungen Ihrer Gemeinde Auswirkungen auf Ihren Betriebsstandort haben können, die Sie nicht unterschätzen dürfen.
Daher gilt:


Beobachten Sie Änderungen im Einwirkungsbereich und der Nachbarschaft Ihres Betriebsstandortes aufmerksam:

Werden Sie aktiv, wenn Sie als Anrainer betroffen sind


  • Prüfen Sie, inwiefern Sie von der beabsichtigten Planung in Ihrem Betriebsablauf, Ihrer Standortsicherheit oder Erweiterungsabsicht betroffen sind. 
  • Geben Sie gegenüber der planenden Gemeinde unter Wahrung der Frist eine eigene Stellungnahme ab, in der Sie Ihre Einwände zum Flächennutzungsplan, Bebauungsplan oder dem tatsächlichen Baugeschehen darlegen.
  • Setzen Sie sich gerne mit Ihrer IHK in Verbindung, denn auch die IHK reicht bei der planenden Gemeinde eine Stellungnahme zu Bauleitplänen ein, und kann Ihre Anmerkungen ggf. mit aufnehmen.
In den meisten Fällen ist ein persönliches Gespräch mit der planenden Kommune zu empfehlen. Gerne steht Ihnen Ihre IHK bei solchen Gesprächen unterstützend zur Seite. Sprechen Sie uns an (IHK Finder)!

Nicht zu vergessen: Bauleitplanung als Chance


Mit der Bauleitplanung können erforderliche Voraussetzungen geschaffen werden, wenn ein Unternehmen den Betriebsstandort wechseln, sich neu ansiedeln oder am Betriebsstandort erweitern möchte. Es bietet sich die Chance, im Bebauungsplan die betrieblichen Bedürfnisse zu verankern. Ein Unternehmen kann selbst ein Bauleitplanverfahren anregen – einen Anspruch darauf hat es jedoch nicht. Sofern Ihr Betriebsstandort derzeit noch im unbeplanten Bereich liegt und Ihre Gemeinde nun einen Bebauungsplan für Ihr Grundstück aufstellt, kann dies durchaus auch zu positiven Veränderungen von Bau- und Nutzungsrechten am Betriebsstandort führen. Wird im Bebauungsplan zum Beispiel der Gebietstyp „Gewerbegebiet“ vorgesehen und dieser Gebietstyp passt zu den Anforderungen Ihres Gewerbebetriebs, können Sie von dieser
Planung im Hinblick auf Ihre Planungssicherheit profitieren.
Beispiel Alnatura Campus: Der Alnatura Campus befindet sich auf einem ehemaligen Kasernengelende im Südosten von Darmstadt. Für das Gelände liegt ein Bebauungsplan vor, der der spezifischen Nutzung Rechnung trägt. Er sieht für den Standort ein entsprechendes GE mit Nutzungseinschränkungen vor.

Weiterführende Informationen


Rechtsgrundlagen


Gesetze und Verordnungen wie das BauGB, die BauNVO und das BImSchG finden Sie
unter www.gesetze-im-internet.de.

Die TA Lärm als Verwaltungsvorschrift finden Sie unter www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de.


Broschüre „Mitplanen Mitreden Mitmachen“


Ein Leitfaden des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, der Antworten auf viele Fragen der städtebaulichen Planung liefert: Welche städtebaulichen Planungen gibt es? Welche Aufgaben erfüllen sie? Wie kann ich an den städtebaulichen Planungen mitwirken? Welche Vorgaben werden auf überörtlicher Ebene gemacht?
Auf diese und andere Fragen gibt die Broschüre eine Antwort.
Weitere interessante Informationen erhalten Sie im Portal für nachhaltige Stadtentwicklung in Hessen.


Erklärfilm Bauleitplanung


Was Bauleitplanung ist, was sie für Unternehmen bedeutet, und wie Ihre IHK Einfluss darauf nehmen kann, erklärt der Erklärfilm.

Ansprechpartner bei Rückfragen

Bei Fragen können Sie sich jederzeit an Ihre zuständige IHK (IHK-Finder) wenden. Die Ansprechpartner der hessischen IHKs im Einzelnen:
IHK Darmstadt Rhein Main Neckar
Susanne Roncka
06151 871-1223
susanne.roncka@darmstadt.ihk.de
IHK Frankfurt am Main
Svenja Griga
069 2197-1542
s.griga@frankfurt-main.ihk.de
und
Max Kendl
069 2197-1354
IHK Fulda
Martin Räth
0661 284-14
raeth@fulda.ihk.de
IHK Gießen-Friedberg
Christian Thiel
06031 609 2020
christian.thiel@giessen-friedberg.ihk.de
IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern
Felix Gilcher
06181 92 90-81 25
IHK Kassel-Marburg
David Leibrich
0561 7891-263
IHK Lahn-Dill
Saskia-J. Kuhl
06461 9595-1200
kuhl@lahndill.ihk.de
IHK Limburg
Alfred Jung
06431 210-140
a.jung@limburg.ihk.de
IHK Offenbach am Main
Robin Hillesheim
069 8207-250
hillesheim@offenbach.ihk.de
IHK Wiesbaden
Christine Fritsch
0611 1500-137
c.fritsch@wiesbaden.ihk.de

Illustrationen auf dieser Seite von: Florian Hyprath-Wittibschläger