Going International 2021: EU-Binnenmarkt und China als Stabilitätsanker

Zwei Entwicklungen standen in diesem Jahr besonders im Mittelpunkt, einerseits die andauernden Beeinträchtigungen durch die Bekämpfung des Coronavirus und andererseits der zum Ende letzten Jahres vollzogene Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der Europäischen Union (EU).

Folgen der Corona-Pandemie für die hessische Wirtschaft

Nur gut 15 Prozent der befragten Unternehmen in Hessen geben Liquiditätsprobleme als Auswirkung der Corona-Krise an. Besonders zwei Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie treffen die hessischen Unternehmen stark – die allgemeinen Einschränkungen des Reiseverkehrs (75 Prozent) und die Absage von Messen und Veranstaltungen (65 Prozent). Auch schwer wiegen die Verzögerung oder Streichung von Investitionen (48 Prozent) und die gesunkene Nachfrage (46 Prozent). 41 Prozent der Unternehmen berichten negative Auswirkungen durch Störungen in ihren Lieferketten, knapp 34 Prozent beklagen fehlende Waren und Dienstleistungen.
Geographisch verorten die betroffenen Unternehmen ihre Lieferprobleme hauptsächlich in China (51 Prozent), im Inland (49 Prozent) und der Eurozone (42 Prozent) sowie im Vereinigten Königreich (36 Prozent).
Während lediglich ein gutes Viertel der betroffenen hessischen Unternehmen keine Antwortmaßnahmen ergriffen hat, haben 51 Prozent zusätzliche oder Ersatzlieferanten für bestehende Produkte engagiert, 44 Prozent ihre Lagerkapazitäten aufgestockt und 25 Prozent ihr Lieferantenportfolio geographisch breit aufgestellt. Nur ca. 11 Prozent der betroffenen Firmen haben externe Leistungen ins Unternehmen zurückgeholt.

Brexit-Folgen für die Unternehmen in Hessen

Der Realität gewordene Brexit bedeutet für betroffene Unternehmen aus Hessen wie erwartet vor allem Mehraufwand bei Zollformalitäten (77 Prozent) und aktuell auch logistische Herausforderungen (63 Prozent). Jeweils 52 Prozent beklagen bereits sinkende Lieferungen bzw. Exporte ins Vereinigte Königreich und die entstandene Rechtsunsicherheit, welche ihre unternehmerische Planung erschwert. Knapp 48 Prozent der auf dem britischen Markt engagierten hessischen Unternehmen sieht eine Zunahme tarifärer Handelshemmnisse. Jeweils ein Viertel befürchtet Wechselkursrisiken und sinkende Einfuhren aus dem Vereinigten Königreich. Hingegen erkennen aktuell nicht einmal 9 Prozent Auswirkungen auf die Entsendung von Mitarbeitern. 
Die überwiegende Mehrheit von ca. 83 Prozent beabsichtigt momentan nicht, etwaige Investitionen vom Vereinigten Königreich auf andere Standorte zu verlagern bzw. hat dies noch nicht getan. 9 Prozent planen eine Verlagerung in andere EU-Staaten, die Schweiz oder Norwegen, und 8 Prozent nach Deutschland. Nur wenige hessische Unternehmen fassen Standorte in Ost- und Südosteuropa oder außerhalb des europäischen Kontinents ins Auge.

Handelshemmnisse im Auslandsgeschäft

Im Vergleich zu den letzten beiden Befragungen haben weniger Unternehmen eine Zunahme an Barrieren für den Handel festgestellt – unabhängig von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Die Wahrnehmung von Maßnahmen wie z. B. Sanktionen und Zertifizierungsanforderungen hat im Vergleich zum Vorjahr abgenommen, während häufiger Sicherheitsanforderungen oder Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt genannt werden. 
Das passt auch zur geographischen Verortung der Zunahme an Handelshemmnissen: Auffällig ist, dass sich die Nennungen des Vereinigten Königreichs und der Eurozone im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben und so in Kern- und Westeuropa aus Sicht der hessischen Wirtschaft die stärkste Zunahme an Handelshemmnissen festzustellen ist.

Situation und Perspektiven der hessischen Unternehmen auf den internationalen Märkten

Ihre aktuelle Geschäftslage im Euro-Währungsraum beurteilt nicht einmal ein Viertel der befragen Unternehmen in Hessen als schlecht, fast 32 Prozent hingegen sogar gut. Und auch im laufenden Jahr erwarten 82 Prozent der hier aktiven Firmen gleichbleibende oder bessere Geschäfte. Im Hinblick auf den Rest der EU, die Schweiz und Norwegen halten sich gute und schlechte Rückmeldungen zum aktuellen Geschäft mit jeweils 25 Prozent die Waage, während 84 Prozent zukünftig eine Stabilisierung oder Verbesserung ihrer dortigen Geschäfte erwarten.
Ganz anders sieht es im Vereinigten Königreich aus: Fast 64 Prozent der dort engagierten hessischen Unternehmen bewerten ihre aktuelle Geschäftssituation als schlecht, nur 6 Prozent als gut. Genauso betrübt sind ihre Geschäftsperspektiven – 62 Prozent erwarten eine Verschlechterung und nur 5 Prozent eine Verbesserung.
Nicht ganz so schlecht, doch mit einigem Abstand zu EU und Eurozone bewerten die hessischen Unternehmen ihre aktuellen Ergebnisse auf denjenigen Märkten in Ost- und Südosteuropa, die nicht Teil des EU-Binnenmarktes sind: 37 Prozent berichten schlechte Geschäfte, knapp über die Hälfte befriedigende und nur 11 Prozent gute Geschäfte. Für das laufende Jahr erwarten zwei Drittel gleichbleibende Geschäfte, über ein Viertel schlechtere und nur ca. 6 Prozent bessere Geschäfte.
Überwiegend negativ sind die Rückmeldungen von den langjährigen Wachstumsmärkten Russland und Türkei mit 50 bzw. 53 Prozent der dort aktiven Unternehmen, die aktuell schlechte Ergebnisse einfahren. Wachstumsimpulse im laufenden Jahr erwarten aus diesen beiden Schwellenländern nur 8 respektive 6 Prozent der hessischen Unternehmen.
36 Prozent der auf dem chinesischen Markt vertretenen Umfrageteilnehmer aus Hessen bewerten ihre momentane Geschäftslage dort als gut, 61 Prozent erwarten 2021 eine Stabilisierung auf diesem Niveau und 27 Prozent rechnen im laufenden Jahr sogar mit einer Verbesserung.
Bezüglich Japan und USA halten sich positive und negative Rückmeldungen zum aktuellen Geschäft mit jeweils einem Viertel, respektive 30 Prozent die Waage. In Japan rechnen 70 Prozent mit gleichbleibenden Ergebnissen 2021 und 19 Prozent sehen Verbesserungschancen. Etwas weniger optimistisch schätzt Hessens Wirtschaft ihre Chance auf dem für den Export wichtigen US-amerikanischen Markt ein: 61 Prozent setzen auf gleichbleibende Ergebnisse im laufenden Jahr und 21 Prozent erwarten dort sogar einen Einbruch.
In Mittel- und Südamerika, dem Nahen Osten, Nordafrika sowie Subsahara-Afrika haben sich 2020 für die hessischen Exporteure nur sehr wenige Chancen materialisiert: von 47 bis 76 Prozent reicht in diesen Regionen der Anteil der negativen Rückmeldungen zur Geschäftslage, während andererseits nur durchschnittlich 5 Prozent diese als gut bewerteten. Auch im Hinblick auf ihre Geschäftsperspektiven bleibt die hessische Außenwirtschaft pessimistisch. 31 bis 50 Prozent der dort aktiven Unternehmen erwarten 2021 einen Rückgang ihrer Umsätze. In den dortigen Schwellen- und Entwicklungsländern sind hessische Unternehmen bislang weniger stark vertreten. So handeln z. B. nur 19 Prozent der befragten Firmen mit Partnern in Subsahara-Afrika.

Hintergrund

An der diesjährigen Befragung zum Auslandsgeschäft haben sich insgesamt 212 Unternehmen aus Hessen beteiligt. Viele Branchen sind vertreten, am prominentesten Handel (39 Firmen), Maschinenbau (37), Dienstleistungen (30) und Chemie-, Pharma- und Kunststoffindustrie (26). Knapp die Hälfte setzt pro Jahr 0,5 bis 10 Mio. Euro in Deutschland um, ein Viertel zwischen 10 und 50 Mio. Euro. 15 Prozent erzielten weniger als 500.000 Euro, knapp 15 Prozent mehr als 50 Mio. Euro.