Offener Brief an Landesregierung - über 200 hessische Unternehmer kritisieren geplantes Unternehmensstrafrecht

7. September 2020

In einem offenen Brief an die Landesregierung kritisieren über 200 hessische Unternehmer das von der Bundesregierung geplante Unternehmensstrafrecht deutlich. Sie fordern die Landesregierung dazu auf, den Gesetzentwurf im Bundesrat zu stoppen. 
Die hessischen Unternehmer fühlen sich pauschal kriminalisiert und ihre Integrität infrage gestellt. Sie fürchten hohe Strafen ohne eigene Schuld. Streitpunkt ist vor allem die so genannte „Verbandstat“. Das Gesetz würde es ermöglichen, Straftaten Dritter, beispielsweise einzelner Führungskräfte, dem Unternehmen zuzurechnen. Auch dann, wenn dem Betrieb selbst kein Unrechtsvorwurf zu machen sei. Damit träfen Strafen die Falschen, heißt es in dem offenen Brief. Statt die mit krimineller Energie handelnden Täter zur Rechenschaft zu ziehen, müssten Eigentümer und Belegschaft die unverschuldeten Folgen tragen.
Straftaten scharf zu sanktionieren, liege im Interesse jedes rechtschaffenen Unternehmers, heißt es weiter. Einzelne spektakuläre Fälle dürften aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wirtschaftskriminalität stark zurückgegangen und die Aufklärungsquote hoch sei. Nach Meinung der hessischen Unternehmer reiche die aktuelle Rechtslage aus. Das Ordnungsrecht biete mit hohen Geldstrafen bereits effektive Sanktionsmöglichkeiten. Wirtschaftliche Vorteile durch Verstöße könnten schon heute effektiv abgeschöpft werden. 
Die hessischen Unternehmer verweisen zudem auf die existenzbedrohende Lage, in der sich viele Betriebe derzeit befänden. Der Gesetzentwurf, der mit hohen bürokratischen Belastungen einherginge, komme zur Unzeit. Auf die regionale Wirtschaft komme es an, um Investitionen wieder hochzufahren, Beschäftigung zu sichern und die Steuerbasis zu stabilisieren. Hessens Unternehmen bräuchten Ermutigung und Unterstützung, nicht pauschale Verdächtigung und zusätzliche Verunsicherung.   
Hintergrund: Die Bundesregierung plant ein „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ (Verbandssanktionengesetz), das vielfach auch als Unternehmensstrafrecht bezeichnet wird. Verschiedene Wirtschaftsverbände sowie die „Arbeitsgemeinschaft Mittelstand“, darunter auch der DIHK, lehnen den Gesetzentwurf ab. Kürzlich haben sich die Wirtschaftsministerien der sechs Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein gegen den Entwurf ausgesprochen. Am 18. September soll sich das Plenum des Bundesrates mit dem Gesetzentwurf beschäftigen.