„Alle Ressourcen bündeln, klare politische Rahmenbedingungen formulieren“
Steuerpolitische Podiumsdiskussion des HIHK an der IHK Gießen-Friedberg mit Landtagsabgeordneten zeigte kontroverse Positionen auf.
In den Unternehmen sind die Belastungen durch Bürokratie, Fachkräftemangel, Digitalisierung und die schwierige weltpolitische Lage immens hoch. „Es bedarf der Bündelung aller Ressourcen und klarer politischer Rahmenbedingungen“, erklärte Dr. Christian Gebhardt, Präsident der IHK Fulda am Donnerstag auf der steuerpolitischen Podiumsdiskussion in Gießen. Zu diesen Rahmenbedingungen gehöre insbesondere die steuerliche Gesetzgebung. Unter dem Titel „Mehr Ausgaben? Mehr Schulden? Mehr Steuern?“ hatte der Hessische Industrie- und Handelskammertag (HIHK) zu einer Podiumsdiskussion in die Geschäftsräume der IHK Gießen-Friedberg eingeladen.
Die steuerpolitische Podiumsdiskussion ist Teil einer Reihe mehrerer Veranstaltungen mit Politikerinnen und Politikern anlässlich der hessischen Landtagswahlen im Oktober. „Das Format der steuerpolitischen Podiumsdiskussion findet in der IHK Gießen-Friedberg bereits seit 2003 statt, damals noch unter dem Vorzeichen einer grundlegenden Vereinfachung der Steuergesetzgebung“, erklärte Rainer Schwarz, Präsident der IHK Gießen-Friedberg. Die Vereinfachung sei nicht eingetreten, die IHK-Podiumsdiskussion allerdings geblieben. „Damit wollen wir Transparenz schaffen im Hinblick darauf, welche steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen nach der Hessischen Landtagswahl gelten könnten.“ Moderator der Veranstaltung war Carsten Jens, Redakteur und Chef vom Dienst beim Hessischen Rundfunk.
Wirtschaft sichert Handlungsfähigkeit des Staates
Große Anstrengungen sind notwendig für die Herausforderungen in der kommenden Legislaturperiode, so der Tenor in allen Parteien. Wie jedoch teure Projekte finanziert werden können, wurde unterschiedlich bewertet. Miriam Dahlke, finanzpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Hessischen Landtag, schlug einen Transformationsfonds vor. „Es ist überlegenswert, ob Investitionen, die einen Wert in der Zukunft schaffen, nicht auch über Kredite finanziert werden könnten.“ Für Marion Schadt-Sauer, ist das keine Option: „Steuergeld ist Treuhandgeld, Schulden engen immer den Handlungsspielraum ein.“ Und ein solcher Fonds sei letztendlich nur eine andere Bezeichnung für Neuverschuldung, so die haushaltspolitische Sprecherin der FDP im Hessischen Landtag. Für den Abbau der Verschuldung plädierte ebenfalls Bernd Erich Vohl, Sprecher für Haushaltspolitik der AfD-Fraktion Hessen.
„Es gibt kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem“, ergänzte die FDP-Politikerin. Tatsächlich würden die jährlichen Steuereinnahmen Hessens seit 20 Jahren einen jährlichen Anstieg in Höhe von 4,55 Prozent verzeichnen, wie Christian Gebhardt herausstellte. Die Wirtschaft sichere das Steueraufkommen und damit das Handeln des Staates. „Die Unternehmen sind an ihrer Belastungsgrenze angekommen. Wir müssen Bürokratie im Steuer- und Paragraphendickicht abbauen – stattdessen führt allein die Energiepauschale zu elf neuen Paragraphen.“
Für mehr Steuern aus dem Topf der Wirtschaft über eine erneute Einführung der Vermögenssteuer sowie eine Erhöhung der Erbschaftsteuer plädierte dagegen Jan Schalauske. „Die Unternehmen sollten Interesse an einem funktionieren Staat und am sozialen Frieden haben, den wir mit zusätzlichen Ausgaben für Lehrkräfte, Kinderbetreuung oder auch Polizei stärken könnten“, argumentierte der Co-Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linken. Die möglichen steuerlichen Mehreinnahmen für das Land Hessen schätzte er auf bis zu 2 Milliarden Euro. „Wir wollen keine Vermögenssteuer“, stellte indes Michael Reul, CDU-Abgeordneter im Hessischen Landtag, klar. Auch die Absenkung der Grunderwerbsteuer hielt er für unrealistisch. Stattdessen solle ein Hessen-Geld die hohen Kosten beim Immobilienerwerb abmildern. „Eine massive Senkung der Grunderwerbssteuer ist zweifellos möglich“, entgegnete AfD-Politiker Vohl. Seine Fraktion habe eine Liste mit möglichen Einsparungen erstellt, die man dazu heranziehen könne.
Dass der Staat durchaus Möglichkeiten habe, seine Ausgaben zu kürzen, betonte auch Marius Weiß. Der hohe Personalanteil in Hessen sei eine Besonderheit der Länder, in den Kommunen und im Bund sei der Personalanteil an den Haushaltsausgaben deutlich geringer. „Bedarfe wie Bildung oder innere Sicherheit sollten im Fokus der Finanzierung stehen“, sagte der finanzpolitische Sprecher der SPD im Hessischen Landtag.
Dr. Christian Gebhardt, Rainer Schwarz, Marius Weiss (SPD), Miriam Dahlke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Michael Reul (CDU), Jan Schalauske (DIE LINKE), Marion Schardt-Sauer (FDP), Bernd Erich Vohl (AfD), Dr. Matthias Leder, Carsten Jens
© Frank Aletter/HIHK