Energiewende-Barometer Hessen 2023: Risiken der Wettbewerbsfähigkeit auf Allzeithoch

Auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel Klimaneutralität ist die Wirtschaft in Hessen vielfältig aktiv, doch sieht sie sich zunehmend ausgebremst: Jedes zweite Unternehmen beurteilt die Auswirkungen der Energiewende auf die eigene Wettbewerbsfähigkeit negativ.  Als größtes Hemmnis für die eigenen Klimaschutzbemühungen sehen die hessischen Betriebe nicht allein die hohen Energiepreise, sondern mittlerweile an erster Stelle die fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit der Energiepolitik. So die Auswertung des aktuellen Energiewende-Barometers 2023 der IHK-Organisation mit den Ergebnissen aus Hessen.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und die unsichere energiepolitische Lage ist der Anteil der Betriebe in Hessen, die negative oder sehr negative Auswirkungen durch die Energiewende auf ihre Wettbewerbsfähigkeit vermelden, in den letzten zwei Jahren um 24 Prozentpunkte auf 49 Prozent gestiegen. Wie in der bundesweiten Auswertung der DIHK bedeutet dies auch für Hessen einen Höchstwert.
Trotz einer Beruhigung der Energiemärkte bleibt ein Treiber für die negative Einschätzung der anhaltend hohe Strompreis: Für 83 Prozent der hessischen Unternehmen sind die Strompreise in den vergangenen 12 Monaten gestiegen. Die anhaltend hohen Energiepreise haben dabei für rund 44 Prozent der befragten Unternehmen einen Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens am Standort Deutschland zur Folge, der vor allem mit der Rückstellung von Investitionen begründet wird. Ein Drittel der hessischen Unternehmen hat Investitionen aufgrund der hohen Strompreise im vergangenen Jahr zurückgestellt. Unter den befragten Industriebetrieben erwägen rund 30 Prozent eine Einschränkung der Produktionskapazitäten oder eine Verlagerung ins Ausland.
Um das geplante Ziel der Klimaneutralität in Hessen bis 2045 zu erreichen, engagieren sich Unternehmen vielfältig in der Energiewende: Jeder zweite Betrieb hat das Ziel der Klimaneutralität fest verankert und mehr als zwei Drittel haben eigene erneuerbare Energieanlagen auf dem Betriebsgelände installiert oder planen, dies zeitnah umzusetzen. Dabei sehen sie sich jedoch durch fehlende Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Energiepolitik wie auch bürokratische Hemmnisse ausgebremst: Jeweils rund 60 Prozent der Unternehmen in Hessen sehen beide Faktoren als größte Transformationshindernisse. Erst an dritter Stelle werden mit 33 Prozent die hohen Energiepreise genannt.
In ihren Forderungen an die Landes- und Bundespolitik sehen zwei Drittel der Unternehmen zunehmende Probleme von Engpässen bei Übertragungs- und Verteilnetzen. Lediglich 2,6 Prozent der hessischen Betriebe sehen aktuell keine Netzprobleme. Nahezu Konsens besteht bei der Forderung nach besseren Rahmenbedingungen für die Energie-Eigenversorgung und Direktlieferverträgen: 90 Prozent der Unternehmen in Hessen sprechen sich dafür aus. 73 Prozent der Unternehmen würden eine Senkung von Steuern und Abgaben auf den Strompreis begrüßen. Mit Blick auf die nächste Legislaturperiode in Hessen appellieren auch zwei Drittel der Unternehmen, den Zugang zu Wasserstoff für Betriebe planungssicher herzustellen und im Markthochlauf nicht allein auf grünen Wasserstoff zu setzen. Aufgrund des limitierten Angebots sollten auch andere kohlenstoffarme Alternativen, wie türkiser und blauer Wasserstoff, gefördert werden.
„Das Land Hessen muss in der nächsten Legislaturperiode beim Ausbau des erneuerbaren Energieangebots und der Ertüchtigung der Netze deutlich schneller werden. Anders wird die Transformation der Wirtschaft bis 2045 nicht zu bewerkstelligen sein. Zudem zeigen die Ergebnisse des Energiewendebarometers eindrücklich, dass alle Unternehmen in Hessen die Auswirkungen der hohen Strompreise deutlich spüren und ihre Investitionen einschränken. Der auf Bundesebene diskutierte Industriestrompreis käme mit seinem Fokus auf wenige energieintensive Unternehmen daher zu kurz. Stattdessen muss eine zukunftsgewandte Entlastung aller Unternehmen in den Blick genommen werden, wie es das DIHK-Konzept vorsieht: Anstelle von limitierter Subventionspolitik sollte der Staat daher auf Stromsteuern und Umlagen verzichten und gezielt Anreize für den massiven Ausbau regenerativer Energie setzen“, so Kirsten Schoder-Steinmüller, Präsidentin des Hessischen Industrie- und Handelskammertags e. V.

Über das Energiewende-Barometer Hessen 2023:
Im jährlichen „Energiewende-Barometer der IHK-Organisation“ sind die Ergebnisse einer Onlinebefragung zusammengefasst, an der sich in diesem Jahr bundesweit 3.572 Unternehmerinnen und Unternehmer aus den Branchen Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen beteiligt haben. Aus Hessen haben 208 Betriebe an der Umfrage teilgenommen, davon 79 Industrieunternehmen. Die Befragung fand vom 12. Juni bis zum 2. Juli 2023 und zu einem Zeitpunkt statt, zu dem nach einem milden Winter die Energiepreise im Vergleich zum Herbst 2022 wieder zurückgegangen sind. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert jedoch an und schafft ein wirtschaftliches Umfeld voller Risiken und Unsicherheiten.
Die ausführlichen Ergebnisse finden Sie in unserem Positionspapier rechts zum Download