Konjunktur in Hessen: Stimmungseinbruch in der Herbstumfrage

Wiesbaden, 17.Oktober 2024
Die hessischen IHKs haben ihre Mitgliedsunternehmen erneut zur aktuellen Lage und der konjunkturellen Entwicklung befragt. Die Wirtschaft in Hessen hat nach einer leichten Verbesserung in den beiden vorangegangenen Befragungen einen regelrechten Stimmungseinbruch zu verzeichnen. Der Geschäftsklimaindex sinkt von 96 auf 90 Punkte und fällt damit sogar unter das Vorjahresniveau, das in der Herbstumfrage 2023 noch bei 91 Punkten lag. Er liegt damit unterhalb der 100-Punkte-Marke, welche die Grenze zu einem insgesamt positiven bzw. wachsenden wirtschaftlichen Umfeld darstellt. Der Wachstumsbereich rückt wieder weiter in die Ferne. Der Lagesaldo geht von plus vier auf minus drei Punkte zurück. Der Erwartungssaldo verringert sich ebenfalls und geht von minus zwölf auf minus 18 zurück.
Im Gegensatz zur letzten Umfrage im Frühsommer verzeichnen alle betrachteten Branchen im Herbst einen Stimmungsrückgang:
Die Industrie sackt deutlich ab. Der Geschäftsklimaindex sinkt von 92 auf 78 Punkte. Vor allem der Lagesaldo verschlechtert sich merklich. Er fällt von minus fünf auf minus 23 Punkte zurück.
Die Baubranche kann ebenfalls nicht zulegen. Der Geschäftsklimaindex sinkt von 93 auf 83 Punkte. Insbesondere der Erwartungssaldo fällt von minus 18 auf minus 33 Punkte.
Auch im Handel ist die Stimmung gedrückt und nähert sich dem Wert der Vorjahresbefragung an. Der Geschäftsklimaindex sinkt von 86 auf 79 Punkte ab. Der Lagesaldo ist besonders markant und fällt von minus acht auf minus 15 Punkte zurück.
Der Dienstleistungssektor ist erneut die einzige betrachtete Branche über der Wachstumsschwelle von 100 Punkten. Der Geschäftsklimaindex liegt nach einem Rückgang von drei Punkten bei 101 Punkten.
Die gedämpfte Stimmung bei der aktuellen und erwarteten Geschäftslage überträgt sich auf die Investitionsvorhaben und auf die Beschäftigungspläne. Der Investitionssaldo geht von minus acht auf minus 13 Punkte zurück. Der Beschäftigungssaldo sinkt von minus fünf auf minus neun Punkte.
Die Reihenfolge der Risikobewertungen für die wirtschaftliche Entwicklung ändert sich zur Herbstbefragung wenig überraschend kaum. Das Risiko der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen verbleibt mit 61 Prozent auf Platz eins. Gefolgt von der Inlandsnachfrage mit 60 Prozent auf Platz zwei und dem Fachkräftemangel mit 49 Prozent auf Platz drei.
„Und wieder sind es die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die die Unternehmerinnen und Unternehmer in Hessen als größtes Risiko einstufen. Wenngleich die Reihenfolge des Rankings unverändert ist, so sehen wir jedoch auch, dass der Anteil der Nennung für die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen und die Inlandsnachfrage zunimmt, die des Fachkräftemangels nimmt jedoch ab. Das sollte den politischen Entscheidungsträgern zu denken geben. Die hessische Landesregierung muss bereits begonnene Prozesse wie beispielsweise die Vereinfachung der hessischen Bauordnung jetzt schnell in die Umsetzung bekommen, um für Entlastung und Aufschwung zu sorgen“, so das Fazit von Frank Aletter, Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertags e.V.
Nachfolgend finden Sie noch einige Einschätzungen von Unternehmern, die sich im Ehrenamt der hessischen IHKs engagieren. Diese stehen Ihnen gerne auch als O-Ton-Geber zur Verfügung.
Dr. Felix Heusler, Geschäftsführer der Isabellenhütte Heusler GmbH & Co. KG, Hessens ältestem Industriebetrieb, und Vizepräsident des Hessischen Industrie- und Handelskammertags:
„Schwache Weltwirtschaft, fehlende Inlandsnachfrage sowie schwindende Wettbewerbsfähigkeit aufgrund von gestiegener Energiepreise, höherer Rohstoff- und Materialkosten wegen globaler Logistikprobleme und höherer Arbeitskosten: Die hessischen Industriebetriebe stehen vor anhaltend hohen Herausforderungen. Hinzu kommt die geringe Investitionsbereitschaft in Anlagen und Standorte. Was zunehmend fehlt ist das Vertrauen in die Politik und gute wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen – auf hessischer wie auch auf Bundesebene.“
Jörg Brömer, Geschäftsführer des Bauunternehmens Brömer & Sohn GmbH und Präsident der IHK Wiesbaden:
„Die hessische wie auch deutsche Bauwirtschaft befindet sich derzeit in einer komplexen Krisensituation. Einer der wesentlichen Treiber ist der Nachfragerückgang im Wohnungsbau. Die Zahl der Baugenehmigungen ist laut den jüngsten Zahlen des statistischen Bundesamts um über 26 Prozent zurück gegangen. Das verwundert wenig, sind doch die jahresdurchschnittlichen Baupreise für den Neubau von Wohngebäuden in Hessen zwischen 2021 und Mai 2024 um 26,3 Prozent gestiegen. Gleichzeitig stiegen die Zinsen für Baukredite seit 2021 wieder. Angesichts dieser schwierigen Rahmenbedingungen muss die Politik dringend handeln, damit der Bau von Wohnraum beschleunigt sowie kostengünstiger und effizienter gestaltet werden kann.“
Oliver Naumann, Verleger und Geschäftsführer der Druck- und Pressehaus Naumann GmbH & Co. KG und Präsident der IHK Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern:
„Der Anzeigenmarkt für Printmedien steht wegen der Konkurrenz der Onlinemedien generell unter Druck. In der aktuellen Wirtschaftskrise schränken viele Unternehmen die Marketingbudgets weiter ein, so dass in Verbindung mit den immer noch hohen Energie- und Papierpreisen das Geschäftsmodell ‚Regionalzeitung‘ massiv unter Druck gerät. Daran kann niemand Interesse haben. Denn regionale Zeitungen vermitteln regionales Wissen über Gesellschaft und Politik. Sie tragen damit zu Integration und Identifikation bei und stützen auf diese Weise auch unsere Demokratie.“

Hintergrund: Der Hessische Industrie- und Handelskammertag informiert in seinen Konjunkturberichten dreimal jährlich über die aktuelle Lage der hessischen Unternehmen und deren Erwartungen bezüglich der Entwicklung von Geschäftslage, Investitionen und Beschäftigung. Die Daten basieren auf den Angaben von rund 2.500 Mitgliedsunternehmen aus Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungssektor, die in Bezug auf Branche, Größe und Standort einen repräsentativen Querschnitt der Wirtschaft des Landes abbilden. Die Befragung wurde im Zeitraum vom 17. September bis 4. Oktober 2024 durchgeführt.
Weitere Ergebnisse, auch aus den einzelnen Branchen, werden im detaillierten HIHK-Konjunkturbericht veröffentlicht, den Sie rechts zum Download finden.