Berufsorientierung während Corona: Wirtschaft fordert von Land und Arbeitsagentur stärkere Bemühungen

16. März 2021

Zu Beginn der „Woche der Ausbildung“ fordert Hessens Wirtschaft die Landesregierung und die Bundesagentur für Arbeit dazu auf, sich stärker für Berufsorientierung einzusetzen. Der Rückgang bei Ausbildungsverträgen sei vor allem auf weniger staatliche Berufsorientierungsangebote zurückzuführen. Die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe bleibe hoch. Derzeit gebe es deutlich mehr Stellen als Bewerber. Das geht aus einer gemeinsamen Mitteilung hessischer Wirtschaftsorganisationen hervor, an der sich die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU), der Hessische Industrie- und Handelskammertag (HIHK), die Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern sowie der Verband Freier Berufe in Hessen beteiligt haben.
Die Berufsorientierung in hessischen Schulen und die Berufsberatung der Arbeitsagenturen hätten im vergangenen Jahr nur sehr eingeschränkt stattgefunden. Digitale Angebote zur Berufsorientierung, die auch von vielen Unternehmen angeboten werden, könnten das nur begrenzt kompensieren. Die gesetzliche Aufgabe der Berufsorientierung müsse durch die Arbeitsagenturen an den Schulen und durch die Schulen selbst erfolgen. Nur so erreiche man alle, heißt es von den Organisationen der Wirtschaft. Ziel müsse es sein, dass jeder Schulabgänger die Schule mit einer Perspektive verlasse. Besonders wichtig sei dafür die regelmäßige Ansprache der Absolventen der Abschlussklassen an den weiterführenden Schulen, aber auch der Eltern, Lehrer und Schulleitungen. Um eine weitere Delle bei den Ausbildungszahlen zu verhindern, brauche es eine gemeinsame Kraftanstrengung bei der Berufsorientierung. Die „Woche der Ausbildung“ könne hierbei ein gutes Startsignal aussenden. Die Wirtschaftsorganisationen beteiligen sich in den kommenden Wochen mit Ausbildungsplatzbörsen, Veranstaltungen und eigenen Beratungsangeboten.  
VhU-Hauptgeschäftsführer Dirk Pollert betont: „Uns ist eine Botschaft an alle Jugendlichen wichtig: Investiert in Eure Zukunft und macht eine Ausbildung. Die Chancen sind sehr gut, denn die Unternehmen in Hessen bieten aktuell über 25.000 offene Ausbildungsstellen an. Unternehmen, Verbände und Kammern tun alles, um mit zahlreichen digitalen Veranstaltungen und Infotools Orientierung zu geben, welche Berufe es gibt. Unsere Aktivitäten alleine können das, was in den Schulen an Berufsorientierung derzeit nur eingeschränkt angeboten wird, allerdings nicht eins zu eins kompensieren. Deshalb brauchen wir mehr externe Maßnahmen als in früheren Zeiten. Dafür ist ein Ideen- und Maßnahmenturbo notwendig und den kann das Land zünden. Wir schlagen einen unbürokratischen Innovationstopf vor, aus dem das Land mit überschaubaren finanziellen Zuschüssen Maßnahmen von externen Anbietern unterstützt.“
Eberhard Flammer, Präsident des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK), sagt: „Die Ausbildungsmarktzahlen zeigen schon jetzt: Viele Lehrstellen könnten in diesem Jahr unbesetzt bleiben. Deshalb lautet die zentrale Frage: Wie wird aus einem Schulabgänger ein Bewerber für die duale Berufsausbildung? Wir fordern das Kultusministerium dazu auf, Eltern von Schulabgängern zur Berufswahl anzusprechen. Außerdem sollten die Berufsberater der Arbeitsagenturen mit jeder Schule in Hessen einen Berufswahlfahrplan erarbeiten. Dieser kann Eltern dabei helfen, ihre Kinder auf dem Weg zur Berufswahl zu unterstützen. Es gibt rund 350 verschiedene Ausbildungsberufe im dualen System. Da ist für jeden etwas dabei. Die duale Ausbildung bietet zukunftsfeste Berufe, gute Gehälter und viele Entwicklungsmöglichkeiten.“ 
Heinrich Gringel, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Hessischen Handwerkskammern, betont: „Die Berufsorientierung muss schnellstmöglich wieder den Status hoher Priorität in den Schulen erhalten. So fordern wir, dass die Durchführung von Betriebspraktika nach den Osterferien wieder den Normalstatus vor Weihnachten erhalten und nicht als Ausnahme, sondern als Regel gelten muss. Wir brauchen diese Möglichkeit, damit unsere Betriebe zukünftige Auszubildende kennenlernen können und umgekehrt junge Menschen erfahren, wie spannend und zukunftsorientiert eine Ausbildung ist. Berufsorientierungstage sind an allen weiterführenden Schulen bis zum Schuljahresbeginn verbindlich durchzuführen.“
Dr. Karin Hahne, Präsidentin des Verbands Freier Berufe in Hessen, hebt hervor: „Von der Landesregierung erwarten die Wirtschaftsorganisationen mehr medialen Einsatz für die duale Berufswahl. Die Imagekampagne ‚Von A zu B‘ muss dringend ausgeweitet und als zentrale Informationsplattform eingesetzt werden.“