Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes
Innovative Konzepte für eine bessere Nahversorgung dürfen nicht ausgebremst werden
Wiesbaden, 26. Juni 2024
Der Einzelhandel ist in der Krise. Die Corona-Pandemie mit ihren teilweise langanhaltenden Kontaktbeschränkungen hat viele Einzelhandelsbetriebe existenziell bedroht. In jüngster Zeit haben Inflation und Preiserhöhungen zu einer weiteren Kaufzurückhaltung bei den Konsumenten geführt. Die Versorgung insbesondere im ländlichen Raum, aber auch in städtischen und innenstadtnahen Gebieten hat sich in der Folge verschlechtert. Betroffen sind sämtliche Handelssparten, darunter der in Zeiten der Pandemie blühende Lebensmitteleinzelhandel.
Die infolge der Corona-Pandemie entstandene digitale Konzepte und Formate bergen für den mittelständischen stationären Einzelhandel vielfältige Chancen, um sich zukunftssicher aufzustellen. So beispielsweise mit „digitalen Kleinstsupermärkten“, wie der Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes diese bezeichnet und der heute in einer öffentlichen Anhörung im Wirtschafts- und im Arbeits- und Sozialpolitischen Ausschuss beraten wird. Zugang sowie Bezahlung erfolgen ausschließlich automatisiert, betrieben werden sie vollkommen ohne Verkaufspersonal.
„Der Gesetzentwurf zur Änderung des Hessischen Ladenöffnungsgesetzes steigert die Attraktivität von Orten, an denen keine wirtschaftliche Grundlage für konventionelle Supermärkte gegeben ist. Die vorgesehene Sonntagsöffnung für digitale Kleinstsupermärkte schafft ein Lebensmittelangebot in unterversorgten Gebieten und leistet somit einen Beitrag zur regionalen Fachkräfte- und Standortsicherung. Sie können zudem die Lebensqualität in einer Kommune erhöhen und Plätze der Kommunikation und Begegnung sein. Digitale Kleinstsupermärkte stärken sowohl den städtischen wie auch ländlichen Raum und tragen somit zur Gleichwertigkeit der beiden Lebensräume bei“, sagt Kirsten Schoder-Steinmüller, Präsidentin des Hessischen Industrie- und Handelskammertags.
Dies ist vor allem wichtig, um metropolen- oder zentrumsferne Standorte für Fachkräfte attraktiv zu halten. Denn ohne angemessene Infrastrukturen sinkt auch deren Attraktivität – damit fehlen Arbeits- und Fachkräfte vor Ort, was sich langfristig auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirkt und zu einer weiteren Konzentration von Arbeitsplätzen in den Kernstädten führt.
Unterversorgte Gebiete sind in allen Regionen Hessens zu finden, beispielsweise Zierenberg-Oberelsungen (Landkreis Kassel) im Nordhessen, Großenlüder-Müs und Burghaun-Steinbach (Landkreis Fulda) im Mittelhessen, Nieder- und Oberseelbach (Rheingau-Taunus-Kreis), Wehrheim-Obernhain und Usingen-Wernborn (Hochtaunuskreis) sowie die Stadtteile Hessloch (Stadt Wiesbaden), Sossenheim und Harheim (Frankfurt) in Südhessen.
„Witzenhausen besteht aus 16 Ortsteilen, die sich auf einer Fläche in der Größe von Kassel verteilen. In vielen dieser Ortsteile fehlen gut erreichbare Einkaufsmöglichkeiten, auch für ältere Mitbürger. Witzenhausen ist zudem eine Pendlerstadt. Für Arbeitnehmer, die weiter entfernt im Schichtbetrieb arbeiten, wird der Einkauf am Wohnort zur Herausforderung, da vieles nach Feierabend bereits geschlossen ist. Um die Attraktivität unserer Stadt zu erhalten, sind vollautomatisierte Verkaufsflächen eine gute Alternative zum regulären Lebensmitteleinzelhandel. Vor dem Hintergrund, dass sich diese Konzepte auch wirtschaftlich rechnen müssen, ist eine Sonntagsöffnung ein notwendiger Baustein, um die Ansiedlung auch für die Einzelhandels-unternehmen attraktiv zu machen“, so Lukas Sittel, Bürgermeister von Witzenhausen.
„Die Stadtteile Wildsachsen und Langenhain waren seit vielen Jahren unterversorgt. Jetzt gibt es endlich wieder eine Einkaufsmöglichkeit: Rund 700 Produkte des täglichen Bedarfs stehen in den beiden Nahkaufboxen jeweils zur Auswahl – von der Erdbeermarmelade bis zum Joghurt. Das wird von den Bürgerinnen und Bürgern begeistert angenommen. Als Stadt haben wir es den Betreibern erlaubt, sonntags Lebensmittel zu verkaufen. Ausdrücklich davon ausgenommen sind die Feiertage. Der Grund: Auch in den ländlichen Bereichen des Stadtgebiets soll es Einkaufsmöglichkeiten geben – nicht nur, aber besonders auch für ältere Menschen“, sagt Christian Vogt, Bürgermeister der Stadt Hofheim am Taunus.
„Mit der Novelle des HLöG zeigt die Landesregierung eindeutig eine Offenheit für technologische Innovationen, eröffnet Spielräume für weitere Entwicklungen und setzt ein Zeichen auf dem Weg zu einer Digitalisierungsstrategie für Deutschland, weswegen wir uns ganz klar für diese aussprechen. Kritisch sehen wir jedoch die Befristung sowie Beschränkungen von Flächengröße und Sortimentsauswahl. Insbesondere in abgelegeneren ländlichen Regionen könnten die beiden letztgenannten Punkte, beispielsweise bei der Umwidmung konventioneller Supermärkte in vollautomatisierte Verkaufsflächen zum Stolperstein werden“, so HIHK-Präsidentin Kirsten Schoder-Steinmüller. Und weiter: „Der Koalitionsvertrag sieht eine Überprüfung der Regelung der verkaufsoffenen Sonntage vor. In vielen Städten und Gemeinden werden aus Sorge vor Klagen keine verkaufsoffenen Sonntage mehr durchgeführt. Es bedarf daher einer zeitnahen Überprüfung und Überarbeitung dieser Regelungen. Dies darf nicht erst im Rahmen der Evaluierung des HLöG im Jahr 2029/2030 erfolgen.“