Im Gespräch mit... Finanzminister Alexander Lorz
© Thomas Lohnes
In diesem Jahr haben viele hessische Kommunen ihre Grund- und Gewerbesteuer-Hebesätze erhöht. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um ein weiteres Ansteigen zu verhindern?
Die Kommunen haben das Recht, die Hebesätze in eigener Zuständigkeit festzusetzen. Das ist ein institutioneller Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung. Das Aufkommen dieser Steuern steht den Kommunen zu und gehört zu ihren wichtigsten Einnahmequellen. In Abhängigkeit von ihrem Finanzbedarf entscheiden sie eigenverantwortlich über die bei ihnen geltenden Hebesätze. Wegen dieses sensiblen Zusammenhangs hat auch noch kein Land von der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, Höchsthebesätze bei Grund- und Gewerbesteuer festzulegen. Im Rahmen der Grundsteuerreform hat die Hessische Steuerverwaltung Hebesatzempfehlungen veröffentlicht. Diese sollen die Kommunen beim Ziel einer aufkommensneutralen Reform unterstützen und verdeckte Steuererhöhungen vermeiden. Die Kommunen sind jedoch nicht an die Hebesatzempfehlungen gebunden und können von ihnen abweichen, zum Beispiel um Vorgaben von Haushaltssicherungskonzepten zu erfüllen.
Welche Maßnahmen plant das Finanzministerium, um den Bürokratieabbau im Steuerwesen voranzubringen?
Abbau von Bürokratie ist wichtig, um Unternehmen von Kosten zu entlasten und personelle Ressourcen zu schonen. Daher ist der Bürokratieabbau ein zentrales Anliegen der Hessischen Landesregierung. In den nächsten Monaten wird intensiv über die Vorschläge der beiden Expertenkommissionen zur Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und für eine bürgernahe Einkommensteuer diskutiert werden. Diese bilden eine gute Grundlage für weitere Reform- und Vereinfachungsüberlegungen. Mein Haus wird sich aktiv an den Diskussionen beteiligen und die Umsetzung sinnvoller Vorschläge unterstützen.
Daneben werden wir die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen, die Beraterschaft und letztlich auch die Bediensteten der Finanzverwaltung bei der Erledigung ihrer steuerlichen Aufgaben zu unterstützen.
Im hessischen Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass für Kommunen, die neue Wohnflächen ausweisen, eine Bonusregelung eingeführt werden soll, um die hohen Folgekosten für die Infrastruktur bei der Entwicklung neuer Baugebiete abzufedern. Wie ist der Stand der Umsetzung?
Die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt: Die hessischen Kommunen wachsen! Das führt natürlich dazu, dass sie in ihre Siedlungs- und Infrastruktur investieren müssen. Weil uns dies bewusst ist, steht es auch bei der laufenden Evaluation des Kommunalen Finanzausgleichs, kurz KFA, auf der Agenda. Ziel ist, im kommenden Jahr einen Gesetzentwurf für den neuen KFA vorzulegen, der auch diese besonderen Herausforderungen der Kommunen berücksichtigt.
Die hessische Finanzverwaltung hat angekündigt, die Einsatzmöglichkeiten für künstliche Intelligenz in der Steuerfahndung und der Umsatzsteuer-Betrugsbekämpfung zu prüfen. Welche Ergebnisse gibt es?
Die Hessische Steuerverwaltung hat das Potenzial des Einsatzes von künstlicher Intelligenz früh erkannt und im Finanzamt Kassel eine Forschungsstelle für Künstliche Intelligenz eingerichtet. Sie kümmert sich erfolgreich darum, KI alltäglich in der Hessischen Steuerverwaltung anwenden zu können. Es geht etwa darum, verdeckte Zusammenhänge steuerlicher Daten aufzuklären, globale Analysen und Auswertungen zu betreiben, Daten nicht mehr manuell auswerten zu müssen und Dokumente automatisch klassifizieren zu können. Auch das gemeinsame IT-Vorhaben der Länder und des Bundes zur Erstellung und Fortentwicklung einheitlicher und moderner IT-Verfahren für das Besteuerungsverfahren - kurz: KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung) - hat das Potenzial von KI erkannt. Derzeit wird untersucht und abgestimmt, welche KI-Lösungen in den Ländern bereits vorhanden oder in Planung sind und künftig in KONSENS eingebracht und damit allen Ländern zugänglich gemacht werden können.
Im Koalitionsvertrag der hessischen Landesregierung wurde festgelegt, dass sich Hessen für eine Reform des Länderfinanzausgleichs einsetzt. Wie ist der Stand der Reformbemühungen?
Der bundesstaatliche Finanzausgleich ist ein wesentliches Element unseres föderalen Systems. Er leistet für die finanzschwachen Länder einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung ihrer Haushalte und soll damit gleichwertige Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet gewährleisten. Er führt aber auch zu hohen Belastungen für finanzstarke Länder wie Hessen: Allein 2023 mussten wir rund 3,4 Milliarden Euro zahlen. Angesichts der hohen Belastung für unseren Haushalt setzen wir uns für eine Überprüfung und Weiterentwicklung des Finanzkraftausgleichs ein. Hierzu suchen wir den Dialog mit dem Bund und den anderen Ländern.
Gegenwärtig lässt der Freistaat Bayern wesentliche Elemente des Finanzkraftausgleichs durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen. Das noch ausstehende Urteil dürfte einen Fingerzeig geben, an welchen Stellen eine Reform des bestehenden Finanzausgleichssystems möglich und erforderlich ist.
Welche Position vertritt das Finanzministerium in der Bund-Länder-Kommission bezüglich der Frage, ob die zukünftige Meldeplattform für eRechnungen (national/international) noch weitere Funktionen übernimmt, wie Beispielsweise in Italien, um Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuer-Korrekturen langfristig überflüssig zu machen?
Die Einführung eines transaktionsbezogenen Meldesystems in Echtzeit dient in erster Linie einer verbesserten Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug. Das liegt gerade auch im Interesse der Unternehmen. Denn die allermeisten Unternehmen sind steuerehrlich und erleiden Wettbewerbsnachteile durch Steuerbetrüger. Gleichzeitig sollten wir aber auch alle Möglichkeiten nutzen, um die Einführung des Meldesystems mit bürokratischen Entlastungen für die Unternehmen zu verbinden. Geplant ist beispielsweise, die heutigen zusammenfassenden Meldungen für innergemeinschaftliche Warenlieferungen ersatzlos zu streichen. Auch könnte ich mir vorstellen, dass uns das Meldesystem in die Lage versetzt, unsere Prüfungsaktivitäten gerade bei der Umsatzsteuer deutlich besser auf Betrugsfälle zu fokussieren. Besserer und effizienterer Personaleinsatz für echte Betrugsfälle bedeutet im Ergebnis weniger Rückfragen oder Prüfungen durch die Finanzämter bei den steuerehrlichen Unternehmen.
Fraglich ist, ob am Ende auch die Umsatzsteuer-Voranmeldungen und Umsatzsteuer-Korrekturen langfristig überflüssig werden. So wünschenswert das freilich aus meiner Sicht sein mag: Das Meldesystem ist zumindest nach derzeitigem Überlegungsstand allein auf Umsätze zwischen Unternehmen beschränkt und liefert uns im Übrigen nicht alle relevanten Besteuerungsdaten. Ein vollständiger Verzicht beispielsweise auf Umsatzsteuer-Voranmeldungen dürfte daher schwierig sein. Aber natürlich werden wir uns das genau anschauen.
Wird Hessen die bayerische Initiative im Bundesrat für die Abschaffung der Belegausgabepflicht bei Kassensystemen, der Anhebung der Betragsgrenzen für geringwertige Wirtschaftsgüter und andere Vereinfachungen unterstützen?
Hessen wird jeden sinnvollen Vorschlag zum Bürokratieabbau unterstützen. So setzen wir uns unabhängig von der bayerischen Initiative schon lange für eine Anhebung der so genannten GWG-Grenze ein. Darüber wird sicher auch im laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum Steuerfortentwicklungsgesetz diskutiert werden.
Darüber hinaus muss man jeden Vorschlag einzeln bewerten. Vermeintlicher Bürokratieabbau darf den gerechten Steuervollzug nicht gefährden. Daher gilt es, beispielsweise bei der Frage der möglichen Abschaffung der Bon-Ausgabepflicht, die damit verbundenen Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen.
Welche Position vertritt die hessische Landesregierung zum dauerhaften Abbau der sog. Kalten Progression im Einkommensteuertarif?
Die Hessische Landesregierung bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag zu steuerlichen Entlastungen statt Belastungen. Dazu gehört auch, die kalte Progression bei der Einkommensteuer in den Blick zu nehmen. An Einkommenszuwächsen der Bürgerinnen und Bürger, die lediglich die Inflation ausgleichen, soll der Staat nichts verdienen.
Zur Erinnerung: Der Bundestag hatte 2012 beim Gesetz zum Abbau der kalten Progression die Bundesregierung beauftragt, ab der 18. Legislaturperiode alle zwei Jahre einen Steuerprogressionsbericht vorzulegen. Der sechste dieser Berichte steht in diesem Herbst bevor. Auf seine vorläufigen Ergebnisse stützt die Bundesregierung ihre Entlastungspläne im Steuerfortentwicklungsgesetz. Den bisher vorgelegten fünf Berichten folgten Taten. Die Steuertarife 2016 bis 2024 wurden angepasst, um kalte Progression zu verhindern. Gerade die vergangenen beiden Anpassungen für 2023 und 2024 waren wegen der krisenbedingt hohen Inflationsraten kräftig. Das 2022 beschlossene und von Hessen ausdrücklich unterstützte Inflationsausgleichsgesetz verhindert 2023 bis 2027 kalte Progression im Umfang von 75 Milliarden Euro.
Die gegenwärtigen Entlastungspläne der Bundesregierung kommen in haushalterisch schwierigen Zeiten mit stagnierenden Steuereinnahmen und steigenden Staatsausgaben. Sie sind ein Kraftakt für Bund, Länder und Kommunen. Es bleibt abzuwarten, wie hiermit beim Steuerfortentwicklungsgesetz umgegangen wird. Hier werden auch die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat eine Rolle spielen. Einige Länder haben schon klar signalisiert, dass sie nicht bereit sind, die Entlastungen mitzugehen.
Eines ist jedoch klar: Die Neutralisierung der kalten Progression bleibt ein Dauerthema und muss weitergehen. Ein künftiger Tarif auf Rädern, wie es ihn zum Beispiel in Österreich gibt, könnte ein neuer Ansatz für die Politik sein, sich diesem Thema zu stellen.
Wann wird der Steuersatz der Grunderwerbsteuer in Hessen von aktuell 6 Prozent wieder abgesenkt?
Bereits 2014 wurde der Steuersatz der Grunderwerbsteuer auf 6 Prozent angehoben. Hintergrund waren haushalterische Notwendigkeiten. Eine Absenkung des Steuersatzes würde aktuell zu nicht vertretbaren Steuerausfällen führen. Hessen setzt sich beim Bund jedoch dafür ein, den Ländern die Möglichkeit zu geben, eigenständig Freibeträge für die Grunderwerbsteuer, zum Beispiel für die erste selbstgenutzte Immobilie, zu schaffen. Bisher waren diese Bemühungen auf Bundesebene allerdings nicht erfolgreich. Bis die Voraussetzungen bundesweit geschaffen sind, hilft Hessen mit dem Hessengeld. Dabei handelt es sich um eine gezielte Förderung für Eigenheim-Käuferinnen und -Käufer, die den Erwerb von Wohneigentum erleichtern und die Mitte der Gesellschaft stärken soll.
Die Fragen stellte Doris Steininger, Leitung Öffentlichkeitsarbeit/Volkswirtschaft der IHK Gießen-Friedberg.