EU - Binnenmarkt vollenden, Bürokratie abbauen

Auf einen Blick

Der europäische Binnenmarkt spielt eine zentrale Rolle für die exportorientierte hessische Wirtschaft. Im Jahr 2023 gingen 54 Prozent der hessischen Exporte, insgesamt rund 43 Milliarden Euro, in den Binnenmarkt. Zudem entfallen mehr als 37 Prozent der hessischen Direktinvestitionen im Ausland auf die EU. Damit der europäische Binnenmarkt weiterhin als Raum für Wachstum und Innovation funktioniert, muss die künftige Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass die Politik sich strikt am Prinzip einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb orientieren, einschließlich der Freizügigkeit von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital. Die Vollendung des Binnenmarktes, insbesondere in bislang unvollständigen Bereichen, und der Schutz seiner Errungenschaften müssen politische Priorität haben.
  • Orientierung an einer EU als offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb beibehalten
  • Errungenschaften des Europäischen Binnenmarktes bewahren und seine Vollendung vorantreiben Regulierung überdenken

Offene Grenzen wahren, freien Markt erhalten, Einschränkungen minimieren

Offene Grenzen innerhalb der Europäischen Union sind wesentlich für die Vollendung des Binnenmarktes. Soweit es in Ausnahmefällen zu Grenzkontrollen, etwa im Schengen-Raum, kommt, sollten diese den grenzüberschreitenden Verkehr von Unternehmen so wenig wie möglich beeinträchtigen. Das gemeinsame Ziel der Union und der Mitgliedstaaten sollte sein, bestehende Diskriminierungen und Beschränkungen des freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehrs weiter abzubauen. Die „Single Market Enforcement Taskforce“ (SMET) sollte dabei ergebnisorientiert und transparent arbeiten sowie die Interessen der Wirtschaft berücksichtigen. Eine Vereinheitlichung nationaler Regelungen kann dazu dienen, bestehende Barrieren im Binnenmarkt abzubauen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Nach dem Subsidiaritätsprinzip muss jedoch abgewogen werden, ob der wirtschaftliche Nutzen neuer EU-Regelungen die entstehenden Kosten überwiegt. Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten sind schützenswert, und häufig reicht eine bessere und einheitlichere Umsetzung z. B. von Richtlinien aus, anstatt zwingender europäischer Normierung und damit verbundener Kontrolle. Auf dem Weg zur Vollendung des Binnenmarktes ist neben der Harmonisierung das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung unter Achtung nationaler und regionaler Identitäten entscheidend. Europäische Normen müssen klar und rechtssicher formuliert sein, um Unsicherheiten für Unternehmen zu vermeiden.
Forderungen
  • Überfrachtung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten mit gesellschaftlichen oder sich wandelnden politischen Zielen vermeiden.
  • EU-Regulierung zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette überarbeiten und für Unternehmen handhabbar machen.

Binnenmarkt nicht mit politischen Zielen überfrachten

Die EU ist eine Rechtsunion, in der der Binnenmarkt nur durch klare rechtliche Vorgaben bestehen kann. Eine Überfrachtung der wirtschaftlichen Grundfreiheiten mit gesellschaftlichen oder wechselnden politischen Zielen sollte vermieden werden. Die Binnenmarktpolitik muss sich auf den Kern des Marktes konzentrieren. Ein Beispiel hierfür ist die Regulierung der Sorgfaltspflichten in Lieferketten. Obwohl fast ausschließlich internationale Handlungen betroffen sind, wurde als Rechtsgrundlage der Artikel 114 AEUV und nicht die Außenhandelsnorm gewählt, da die Maßnahme offiziell den Binnenmarkt betrifft. Der erwartete hohe bürokratische Aufwand, Haftungsfragen und absehbare Prozesse werden jedoch von vielen Unternehmen als ernsthafte Probleme wahrgenommen. Besonders besorgniserregend ist, dass die EU den Binnenmarkt nicht mehr als Ort des rechtmäßigen Handels sieht. Die Sorgfaltspflichten betreffen auch den inneren Handel, während „Safe-Harbour“-Regelungen abgelehnt wurden. Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf, um praktikable Lösungen zu schaffen. Neue Konzepte wie die Einführung einer Datenverkehrsfreiheit oder von Wissen als „fünfter Grundfreiheit“ des Binnenmarktes sind mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten verbunden und könnten zu einer stärkeren Politisierung des Binnenmarktes führen. Es ist essenziell, den Binnenmarkt primär als freien Markt zu bewahren und weiterzuentwickeln.
Forderungen
  • Diskriminierungen und Beschränkungen für den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr weiter abbauen.
  • Orientierung am Grundsatz der Subsidiarität bei der Normensetzung.
  • Bei der Normenumsetzung auf Klarheit und Rechtssicherheit achten.

Bürokratieabbau und Harmonisierung technischer Standards vorantreiben

Der wachsende Umfang an Anzeige-, Melde-, Statistik-, Nachweis- und Informationspflichten kann den Warenverkehr stark einschränken. Vorgaben für Dienstleistungserbringer, z. B. in Bezug auf Sprachkenntnisse, sollten wo möglich reduziert werden. Administrative Anforderungen bei der Arbeitnehmerentsendung sollten abgebaut und innerhalb der Europäischen Union vereinheitlicht werden. Auch die A1-Bescheinigung, welche bei den Mitgliedstaaten unterschiedliche, vielfach überflüssige bürokratische Anforderungen und Prozesse aufstellt, wird von Unternehmen häufig als Beispiel für unverhältnismäßige Bürokratie und großes Hemmnis wahrgenommen. Zur Förderung des freien Warenverkehrs sollten (u. a. technische) Standards möglichst EU-weit harmonisiert und kostengünstig zugänglich werden. Um den grenzüberschreitenden Versandhandel nicht zu hemmen, müssen europäische Verpackungsvorschriften im B2C– Bereich durch die Mitgliedstaaten einheitlich umgesetzt werden. Die Belastung von Unternehmen durch immer neue nationale Registrierungsvorschriften und Pflichten zur Benennung von Bevollmächtigten sollten minimiert werden. Informationen und Verwaltungsverfahren müssen zukünftig in allen Mitgliedstaaten online und neben der jeweiligen Landessprache zumindest auch in englischer Sprache zur Verfügung gestellt werden.
Forderungen
  • Zunehmenden Anzeige-, Melde-, Statistik-, Nachweis- und Informationspflichten beim grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr entgegenwirken.
  • Administrative Anforderungen bei der Arbeitnehmerentsendung abbauen und EU-weit vereinheitlichen.
  • Verwaltungsverfahren neben der Landessprache auch in Englisch zur Verfügung stellen.