Hohe Energiekosten: HIHK verweist auf Entlastungsmöglichkeiten

11. März 2022 - Angesichts rasant steigender Kosten für Energie und Kraftstoff verweist der HIHK auf die Möglichkeit steuerlicher Entlastungen. So könne die Energiesteuer deutlich gesenkt werden.
„Steuern und Abgaben auf Energie sind in Deutschland seit Jahren überdurchschnittlich hoch. Es besteht viel Spielraum zur Entlastung in der aktuellen Energiekrise. Eine deutliche Senkung der Energiesteuer würde Wirtschaft und Verbraucher signifikant entlasten. Derzeit beträgt die Energiesteuer für einen Liter Diesel rund 47 Cent, für einen Liter Benzin mehr als 65 Cent. Mit der CO2-Bepreisung besteht ein marktwirtschaftliches Instrument, das Energie effizient auf den Klimaschutz ausrichtet“, sagte Frank Aletter, Geschäftsführer des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK).
„Die steigenden Energiekosten sind eine Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine. Die Sanktionen tragen wir uneingeschränkt mit, viele hessische Unternehmen helfen mit Spenden und Hilfsaktionen. Gleichzeitig sollte die Politik überlegen, wie die wirtschaftlichen Folgen der steigenden Energiekosten beherrschbar bleiben können. Deshalb lenken wir den Blick auf mögliche steuerliche Entlastungen“, so Aletter. Diese könnten auch dazu beitragen, die Inflation abzuschwächen. 
Neben der Entlastung bei der Energiesteuer könne die Stromsteuer laut HIHK von 2 Cent/kWh auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Cent/kWh gesenkt werden. „Heute machen Steuern und Abgaben gut die Hälfte des deutschen Strompreises aus, Netzentgelte etwa ein Viertel. Das vorgezogene Ende der EEG-Umlage ist gut, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Hessens Betriebe benötigen noch deutlich mehr Entlastung, um in dieser außergewöhnlichen Situation wettbewerbsfähig bleiben zu können“, so Aletter weiter. Geeignet dazu wäre gemäß HIHK auch eine Anpassung der Netzentgelte für Strom. Sie sollten an die tatsächlich in Anspruch genommene Leistung angepasst werden. Derzeit führten einzelne Lastspitzen zu stark erhöhten Ausgaben im gesamten Jahr. Eine Flexibilisierung könne mittelfristig dazu beitragen, dass Industriebetriebe bevorzugt produzieren, wenn viel Strom im Netz und damit entsprechend günstiger ist.
Die stark gestiegenen Energiepreise stellen viele Betriebe vor große Herausforderungen, gerade in der Industrie, im Verkehr und in der Logistik. Bereits im vergangenen Jahr waren die Kraftstoffkosten im Güterfernverkehr um 32 Prozent gestiegen. Die neuerlichen Kostensteigerungen belasten nicht nur die Liquidität, sondern gefährden in einigen Fällen auch die unternehmerische Existenz. Im produzierenden Gewerbe sind bezahlbares Gas und Strom ein Lebenselixier. 31 Prozent der von der Industrie verwendeten Energie ist Erdgas. Es kommt in den unterschiedlichsten Betrieben zum Einsatz, etwa in der Metall-, Zement-, Glas-, Keramik-, Lebensmittel- und Textilindustrie. Das Gas wird zum Schmelzen, Glühen, Härten, Verformen und für weitere Prozesse eingesetzt. Strom schlägt bei der Energieverwendung in der Industrie mit 21 Prozent zu Buche. Ohne ihn stehen Maschinen still. Viele Unternehmen können die jüngsten Preissteigerungen nur begrenzt an ihre Kunden weiterreichen. Der Druck steigt: Einerseits hat die Industrie in Hessen volle Auftragsbücher und Lieferverträge zu erfüllen. Andererseits ist die Produktion bei derart hohen Energiekosten nur schwerlich wirtschaftlich tragbar.
Stimmen hessischer Unternehmer
Georg Duwensee, Geschäftsführer der Duwensee Spedition & Lagerhaus GmbH aus Heusenstamm, macht auf den Aspekt internationaler Wettbewerb aufmerksam: „Wir stehen in Konkurrenz mit Frachtführern aus dem EU-Ausland, die aufgrund bereits staatlicher Gegenmaßnahmen deutlich billiger tanken, zum Beispiel in Polen. Hier sehen wir aktuell einen klaren Wettbewerbsnachteil. Es ist im Moment günstiger einen EU-Subunternehmer einzukaufen, als einen eigenen LKW einzusetzen. Deutsche Frachtführer sehen sich mit abnehmender Nachfrage bei gleichzeitig extrem steigenden Kosten konfrontiert.“
Roland Wernig, Geschäftsführer des familiengeführten Logistikunternehmens agotrans Logistik GmbH aus Rodgau, skizziert die aktuelle Situation so: „Die exponentiell steigenden Kosten für Dieselkraftstoff treffen uns jetzt hart. Kritisch sehen wir dabei das Thema Vorfinanzierung, selbst wenn die Mehrkosten an den Kunden vertraglich weitergegeben werden können. Bei einer nahezu Verdopplung der Einkaufspreise für Kraftstoff schlägt das bei uns unmittelbar zu Buche. Bis ein Frachtvorgang komplett abgewickelt ist, vergehen bis zu sechs Wochen. Das stellt besonders kleine und mittelständische Logistikunternehmen vor Herausforderungen zur Sicherung ihrer Liquidität.“
Helge Förster, Geschäftsführer der HÜBNER-Gruppe in Kassel, sagt: „Die aktuelle Lage ist für Industriebetriebe äußerst herausfordernd. Die Auftragsbücher sind voll, aber die Verfügbarkeit von Waren und Rohstoffen wie Aluminium, Stahl oder chemischen Vorprodukten ist stark eingeschränkt. In Verbindung mit den rasant steigenden Energiekosten wird Wirtschaftlichkeit für alle zu einer echten Herausforderung.“
Manfred Schultheis, Geschäftsführer der VIBRA MASCHINENFABRIK SCHULTHEIS GmbH & Co. aus Offenbach sagt: „Nachdem sich bereits die Stahlpreise in den vergangen 12 Monaten teilweise mehr als verdreifacht haben (der Handel mit Nickel ist derzeit an der Londoner Metallbörse ausgesetzt) führt die aktuelle Kostenexplosion der Energiepreise zu einer weiteren Wettbewerbsverschärfung für den deutschen Mittelstand und die Industrie. Auch vor dem Hintergrund, dass Wettbewerber in anderen Märkten bei Stahl- und Energiepreisen nur eine signifikant unterproportionale Kostensteigerung erfahren, muss die Politik die Höhe der steuerbezogenen Anteile bei Gas und Strom deutlich verringern.“
Andreas Bender, Geschäftsführer von B.u.B. Busverkehr GbR im mittelhessischen Ehringshausen, macht auf Folgendes aufmerksam: „Die steigenden Kosten für Energie und Werkstatt sind noch nicht ausreichend in den ÖPNV-Verkehrsverträgen abgedeckt. Im Moment wird uns der Kraftstoffpreis nicht mehr täglich genannt, wir erhalten Kraftstoff nach Verfügbarkeit, losgelöst vom Preis. Wir müssen ordern, um den täglichen Ablauf im ÖPNV zu gewährleisten. Die Vorfinanzierungskosten liegen sechs- bis achtmal höher als im letzten Jahr. Vor Kürzungen beim ÖPNV können wir aber nur warnen. Der ÖPNV wird gebraucht, gerade auch in den ländlichen Regionen.“