Brexit-Einigung: Vorsichtige Erleichterung bei Hessens Wirtschaft

28. Dezember 2020

Die zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich verabredete Handelsvereinbarung sorgt für vorsichtige Erleichterung bei Hessens Wirtschaft.
„Das Abkommen ist ein Neuanfang für die gemeinsamen Handelsbeziehungen. Es begrenzt die negativen wirtschaftlichen Folgen des UK-Austritts aus dem gemeinsamem Binnenmarkt und der Zollunion. Die praktischen Folgen dieser Last-Minute-Einigung gilt es noch sehr genau zu prüfen. Klar ist aber: Das Vereinigte Königreich bleibt einer der wichtigsten Handelspartner der hessischen Wirtschaft“, kommentiert Kirsten Schoder-Steinmüller, Vizepräsidentin des Hessischen Industrie- und Handelskammertages (HIHK).
Für Hessens Betriebe bedeutet das Abkommen nun viel Arbeit: Vertriebs- und Lieferbeziehungen müssen angepasst werden. Neue Zollverfahren, Einschränkungen bei der Mitarbeiterentsendung, Visaerfordernisse und neue Regularien für Produktzulassungen sorgen für bürokratischen Mehraufwand.
Mit dem Abkommen neigt sich eine mehrjährige Phase der Unklarheit ihrem Ende zu. Sie habe in den Auftragsbüchern hessischer Unternehmen deutliche Spuren hinterlassen: Die hessischen Ausfuhren auf die Insel seien in den letzten drei Jahren um rund 17 Prozent zurückgegangen. Das  insgesamt mehr als 2000 Seiten umfassende Abkommen setze nun den Rahmen für die künftigen Geschäftsbeziehungen. 
Aus Sicht des HIHK kann der Ablauf der Brexit-Übergangsphase zum Jahreswechsel auch eine Chance für Hessen sein: „Hessen ist ein internationaler Wirtschaftsstandort im Herzen der EU. Das kann noch mehr britische Unternehmen anlocken, die ihr EU-Geschäft mit einer Präsenz innerhalb der EU absichern oder ausbauen wollen. Das zeigt sich vor allem im Bankensektor und bei IT-Dienstleistungen, ist aber auch für andere Branchen relevant“, meint Schoder-Steinmüller.   
Mit Blick auf die Ein- und Ausfuhr von Waren wirbt der HIHK für administrative Flexibilität: „Gerade in der Anfangsphase der neuen Regelungen sollte dafür Platz sein. Ein kulanter Umgang der Behörden, bei dem erforderliche Papiere beispielsweise auch noch nachgereicht werden können, wäre hilfreich. Das würde Verzögerungen reduzieren und unnötige Härten vermeiden“, meint Dr. Jürgen Ratzinger, Federführer Außenwirtschaft beim HIHK.
Die hessische Wirtschaft habe die letzten Jahre genutzt, um sich auf geänderte Rahmenbedingungen vorzubereiten. Bereits 2019 hätten bei einer Umfrage 70 Prozent der befragten hessischen Unternehmen angegeben, wegen des Brexit im Gespräch mit Kunden und Lieferanten zu sein und nach Lösungen zu suchen. Die hessischen IHKs stehen ratsuchenden Unternehmen weiterhin mit Informationen und Beratung zur Seite.